Es ist zeitigster Morgen und dichter Nebel liegt über der Lagune im Loango Nationalpark im im Südwesten Gabuns, als ich zu meinem Guide aufs Quad steige. Nach 1 Stunde offroad heißt es absatteln. Die feuchtheiße Regenwaldluft lässt uns kaum atmen. Dichter Busch geht in hüfthohes Moor über, die Machete treibt den Weg durch verfilzte Lianenranken.
Wir laufen geduckt, fast lautlos, sind hoch konzentriert. Plötzlich! Spuren … ganz deutlich sehe ich den riesigen Abdruck der Fingerknöchel des Silberrückens im Waldboden. Mein Herz schlägt, der Schweiß rinnt unaufhaltsam … Wir folgen der Spur, immer sorgsam die Windrichtung prüfend.
Plötzlich ist er da, wie aus dem Nichts, keine 20 Meter entfernt auf einer Lichtung. Dies ist kein habituierter, an Menschen gewöhnter, Westlicher Flachlandgorilla… Nein, dieser riesige Silberrücken ist wild, sehr wild, und wir haben sein Territorium betreten und ihn bei der Fruchternte gestört.
Ich habe die Situation gewollt, sie jedoch komplett unterschätzt. Wie eine Furie, laute markdurchdringende Schreie ausstoßend und auf seinen riesigen Brustkorb trommelnd, geht der Gorilla auf uns los. Meine Instinkte raten zur Flucht, doch mein Guide hält mich fest und wir bleiben wie angewurzelt stehen. Ich völlig versteinert, mein Guide mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Nicht unbegründet, seine Erfahrung hat uns nicht im Stich gelassen. Kurz bevor der Gorilla uns erreicht, stoppt er und verschwindet im dichten Gestrüpp.
Nur Sekunden später biegen sich die Bäume erneut und er setzt in den nächsten Minuten zu mehreren Scheinangriffen an. Mein Herz, welches gerade noch fast stillgestanden hat, pocht bis zur Schmerzgrenze. Endlich zieht mich mein Guide langsam Zentimeter für Zentimeter zurück und allmählich beruhigt sich der stolze Silberrücken.
Zwei Stunden später sind wir am Quad, wortlos fahren wir zur Lodge zurück. Zu intensiv war die Begegnung, zu eindringlich diese markanten Schreie, zu nahe habe ich mich ungebeten angenähert… Ich habe schon viele habituierte Gorillagruppen besucht; die Begegnung mit einem wilden Silberrücken war jedoch die intensivste und selbst beim Schreiben dieser Zeilen spüre ich, wie sich mein Puls beschleunigt….
Autor: Thomas Kimmel, im November 2008
Spannende Reisen zu Gorillas in Zentralafrika …